Verlegte Stolpersteine 2017

 

Selma Isaacson

Scharnhorststr. 44

 

Selma Isaacson wurde am 1. Januar 1877 geboren und war die Tochter von Isaak Isaakson und seiner Ehefrau Amalie, geborene Rosenhelm. Die Familie Isaakson war eine bekannte Dinslakener Viehhändler-und Metzgerfamilie. Ihre Geschwister waren Dagobert, Benjamin, Wilhelmine, Leopold und Louis Isaacson. Selma blieb ledig und erlernte wahrscheinlich keinen Beruf, sondern war als Kinder-oder Hausmädchen bei verschiedenen Familien tätig. Sie lebte und arbeitete einige Jahre in Mülheim/Ruhr und in Moers am Niederrhein. Viele Jahre verbrachte sie im Haus an der Scharnhorststraße 44 in Dinslaken. Nach dem Pogrom vom 9./10. November 1938 verzog sie in ein jüdisches Altenheim nach Rheydt. Dorthin zogen auch ihre angeheiratete Cousine Ida Isaacson, geborene Albersheim, aus Dinslaken und Johanna Scherbel, die lange Jahre gemeinsam mit ihrem Ehemann Ernst und später mit dem Sohn Richard den "Riesenbasar Scherbel" in der Duisburger Straße betrieb. Am 11. Dezember 1941 wurden die Einwohner des Altenheims von Düsseldorf aus in das Ghetto von Riga deportiert. Dort wurde die fünfundsechzigjährige Selma Isaacson am 26. März 1942 ermordet.

Auch Selmas Geschwister Dagobert und Benjamin Isaacson und Ehefrauen, sowie Wilhelmine Heine, geb. Isaacson und ihr Ehemann wurden von den Nationsozialisten ermordet. Louis Isaacson konnte mit seiner Ehefrau Fanny und den drei erwachsenen Kindern Walter, Emmi und Bernhard  nach Großbritannien fliehen.

 

Quellen: Bundesarchv Gedenkbuch, Stand 27.01.2017.

Schriftliche Mitteilungen: ITS Bad Arolsen 09.05.2011; Schriftliche Auskunft Stadtverwaltung Dinslaken. 

Mündliche Mitteilung Aliza Isaacson-Hirsch, Israel
 

 

 

Klara Gradus

Elfriede Ingenkamp

Karl-Heinz Ingenkamp

Hünxer Str. 90

 

Klara Gradus war die Tochter von Leopold und Wilhelmine Gradus. Wilhelmine Gradus war eine geborene Fuldauer, ihr Vater Levi Fuldauer war Niederländer und in Dinslaken bekannt als Holzschuhmacher. Das Elternhaus von Klara Gradus befand sich auf der Weseler Straße. Sie heiratete den nichtjüdischen und aus Gelsenkirchen stammenden Anstreicher Fritz Ingenkamp im Juni 1927 vor dem Standesamt in Dinslaken. Die Tochter Elfriede wurde 1927 geboren, der Sohn Karl-Heinz 1929. Zunächst wohnte das Ehepaar auf der Weseler Straße, später in der Herderstraße in Dinslaken. Im Januar 1936 wurde die Ehe geschieden. Klara Gradus zog für einige Zeit mit ihren Kindern in die Hünxer Str. 90. Der Sohn Karl-Heinz lebte ab 1937 in Köln, zuletzt im Jüdischen Kinderheim Köln, das 1941 im Ghettohaus St.-Apern Str. 29-31 untergebracht war. Von dort wurde er mit anderen Kindern des Kinderheims am 20.7.1942 nach Minsk deportiert und nach Eintreffen des Transports ermordet. Seine Schwester Elfriede lebte für einige Zeit bei den Großeltern in der Weseler Straße. Nach dem Novemberpogrom 1938 gelangte sie mit ihrer Kusine Wilma Landau und anderen Kindern mit einem Kindertransport in die Niederlande. Zunächst lebte sie im Zeehuis in Bergen, später unter verschiedenen Anschriften in den Niederlanden. Ab dem 27. Mai 1940 lebte sie im Jüdischen Waisenhaus Rotterdam. Sicher ist, dass Elfriede ab einem unbestimmten Zeitpunkt versteckt in Almelo lebte. Hier wurde sie am 5. Mai 1945, vermutlich durch eine verirrte Kugel, erschossen. Die näheren Umstände ihres Todes sind nicht bekannt. Klara Gradus gelangte vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges nach Leeds/GB. Durch den Ausbruch des Krieges gelang es ihr nicht mehr, ihren Kindern die Flucht in das sichere Großbritannien zu ermöglichen.  

 

Quellen: Gedenkbuch Bundesarchiv, Stand 27.01.2017.

Mitteilungen: Auskunft Stadtverwaltung Dinslaken; Auskunft Dr. Barbara Becker-Jákli, Köln, vom 29.09.2011; Schriftliche Mitteilung ITS Bad Arolsen vom 11.12.2013; Mitteilung Stadtverwaltung Dinslaken.

Website: Joods Monument NL.
 


 

 

 

Gustav Gause

Augustastr. 147

 

Der Bergmann Gustav Gause wurde 1882 in Insterburg geboren lebte mit seiner Ehefrau Emma und dem gemeinsamen Sohn in der Augustastraße 147. Er war Mitglied der KPD und der RGO. Er war auf der Schachtanlage Lohberg von 1914 bis 1922 und auf der Zeche Concordia in Oberhausen bis 1929 als Hauer und danach bei verschiedenen Baufirmen beschäftigt. Nach dem Kapp-Putsch im Jahre1920 hatte er wegen "Verbreitung staatsgefährdenter Schriften" vor Gericht gestanden.

Vom 1. April 1933 bis zum 5. Dezember 1933 ware er in den Gerichtsgefängnissen Dinslaken und Duisburg inhaftiert. Am 6. Dezember 1933 erfolgte seine Einweisung in das Konzentrationslager Brauweiler, wo er am 20. Dezember 1933 entlassen wurde.

Nach dem Stauffenberg-Attentat am 20. Juli 1944 fand auch im damaligen Landkreis Dinslaken eine Verhaftungsaktion, die "Aktion Gewitter", statt. Zu den am 15. September 1944 von der Gestapo Dinslaken verhafteten Personen gehörte auch Gustav Gause. Alle Verhafteten wurden über das "Gestapo-Sonderlager bei der Ruhrchemie Holten" in die Konzentrationslager Flossenbürg und Sachsenhausen eingewiesen. Gustav Gause wurde mit anderen am 28. September 1944 in Flossenbürg als "politischer Schutzhäftling" eingewiesen, wo er die Häftlingsnummer 27075 erhielt. Der Zweiundsechzigjährige starb am 14. November 1944 im Stammlager an den Folgen unsäglicher Haftsbedingungen.

 

Mitteilungen: ITS Bad Arolsen vom 03.06.2012; Mitteilung Bezirksregierung Düsseldorf vom 02.02.2017; Mitteilung Gedenkstätte Flossenbürg vom 25.06.2012; Mitteilung Stadtverwaltung Dinslaken.

Quellen: Flugblatt der VVN Dinslaken aus dem Jahr 1948, Privatarchiv Prior.
 

 

 

Johann Borgs

Paulastr. 20

 

Der Bergmann Johann Borgs wurde 1905 in Dinslaken geboren und lebte mit seiner Ehefrau Maria auf der Paulastraße 20. Wie Gustav Gause und Karl Fortak wurde er ein Opfer der "Aktion Gewitter" vom September 1944 im Landkreis Dinslaken. Als "Reichsdeutscher Schutzhäftling" wurde er gemeinsam mit mehreren Männern aus Dinslaken und Walsum am 15.9. 1944 in Dinslaken verhaftet und über das "Gestapo-Sonderlager" in Holten am 28.09.1944 in das Konzentrationslager Flossenbürg eingewiesen. Er erhielt die Häftlingsnummer 27087. Er starb am 30. November 1944 im Stammlager Flossenbürg an den Folgen der Haft.

 

Mitteilungen: ITS Bad Arolsen vom 03.06.2012; MItteilung Gedenkstätte Flossenbürg vom 25.06.2012; Mitteilung Stadtverwaltung Dinslaken.

Quellen: Flugblatt VVN aus dem Jahr 1948, Privatarchiv Prior.


 

 

Karl Fortak

Stolze-Schrey-Str. 22

Der Bergmann Karl Fortak wurde 1899 in Gelsenkirchen-Buer geboren. Er arbeitet auf der Schachtanlage Lohberg und lebte mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in Oberlohberg auf der Stolze-Schrey-Straße 16 und 22. Im Ersten Weltkrieg hatte er als Soldat bei der Marine gedient. Auch im Zweiten Weltkrieg wurde er bei der Marine eingesetzt, war jedoch wegen einer Erkrankung entlassen worden.

Wie Gustav Gause und Johann Borgs wurde er ein Opfer der sogenannten "Aktion Gewitter". Anders jedoch als die Genannten wurde er mit einigen Verhafteten aus dem Landkreis Dinslaken nicht in das Konzentrationslager Flossenbürg/Oberpfalz eingeliefert, sondern als "Schutzhäftling", vermutlich am 28. September 1944, in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin. Bekannt ist auch seine Häftlingsnummer:104221. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Er kehrte nicht zu seiner Familie zurück. 

 

Mitteilungen: Schriftliche Mitteilung ITS Bad Arolsen vom 03.06.2012; Mitteilung Stadtverwaltung Dinslaken.

Quellen:Flugblatt  VVN aus dem Jahre 1948, Privatarchiv Prior; Auskunft Familie Schikora, Dinslaken.
 

 

 

 

Charlotte Priewe

Augustaplatz 1

Die Buchhalterin Charlotte Priewe wurde 1902 in Dinslaken geboren und lebte mit ihren Eltern am Augustaplatz 1. Ihren Beruf übte sie in Dinslaken aus.1930 wurde sie in die "Heil-und Pflegeanstalt" in Grafenberg eingewiesen. Im Zuge der sogenannten "Aktion T 4" wurde sie, von Bedburg-Hau kommend, mit anderen Patienten am 07.03.1940 in die "Pflegeanstalt" Zwiefalten verbracht. Von dort wurde die psychsich kranke Frau im April 1940 in die Tötungsanstalt Grafeneck "verlegt" und ermordet. 

 

Mitteilung: Gedenkstätte Grafeneck, Dokumentationszentrum vom 01.08.2012; Mitteilung Stadtverwaltung Dinslaken.

Quellen: Bundesarchiv Berlin, Bestand R 179, Charlotte Priewe.



 

 

Leo Rech

Stollenstr. 28

Leo Rech war der Sohn des Ehepaares Ludwig und Karoline Rech. Er wurde 1919 in Friedrichsthal/Saarland geboren. In den Zwanziger Jahren verzog die Familie nach Dinslaken in die Drosselstraße. Später lebte die Familie Rech in der Stollenstraße 28. Ludwig Rech arbeitete auf der Zeche Lohberg und war seit 1920 Mitglied der KPD. Nach dem Reichstagsbrand 1933 wurde er für ein Jahr in sogenannte "Schutzhaft" genommen - zunächst im Gerichtsgefängnis Hamborn, später in den Konzentrationslagern Börgermoor und Brandenburg/Havel. Leo Rech absolvierte die Volksschule und erlernte den Beruf des Drehers in einer katholischen Einrichtung im Münsterland, der sogenannten "Krüppelanstalt Maria Veen" in Reken. Er war leicht körperbehindert. Nach dem Abschluss der Ausbildung fand er jedoch keinen Arbeitsplatz. Vermutlich war dies seiner körperlichen Beeinträchtigung geschuldet, sicherlich spielte  aber auch die politische Einstellung des Vaters eine Rolle. Leo Rechs Traum war es, auf einem Schiff anzuheuern und dort Arbeit zu finden. Zu diesem Zweck begab er sich immer wieder auf Wanderschaft. Diese "Nichtseßhaftigkeit", verbunden mit seiner Arbeitslosigkeit, wurden ihm zum Verhängnis. In den Jahren 1939 bis 1941 befand er sich im "Arbeitshaus Brauweiler". Seit August 1941 lebte er wieder auf der Stollenstraße 28 bei seinen Eltern und der Schwester. Hier wurde er am 10. Juli 1942 verhaftet. Der Grund für seine Inhaftierung kann nur vermutet werden. Seine Mutter berichtete nach dem Krieg, dass ihr Sohn vier Lebensmittelkarten der Familie Rech an sich genommen hatte, um sie bei einer erneuten Wanderschaft - er hatte seinen Traum von einer Arbeit auf einem Schiff nicht aufgegeben - einzulösen. Als Ersatzlebensmittelkarten für die Familie auf dem damaligen Wirtschaftsamt der Stadt Dinslaken ausgegeben wurden, soll der zuständige Sachbearbeiter bemerkt haben, dies sei Betrug, der Sohn gehöre in ein Konzentrationslager. Leo Rech war in den Augen der Nationalsozialisten ein "Volksschädling". Am 14. August 1942 wurde er in das Konzentrationslager Auschwitz eingewiesen. Seine Sterbeurkunde datiert seinen Tod auf den 24. August 1942, als Todesursache wird "Lungentuberkulose" angegeben. Leo Rech war gesund, als er in Auschwitz eingewiesen wurde, so attestierte es ihm der Kreismedizinalrat Dinslakens. Vermutlich wurde er am 24.8.1942 mit anderen Männern des Krankenbaus, Block 20, durch einen Lagerarzt mittels einer Phenolspritze getötet.    

 

Mitteilungen: Schriftliche Auskunft ITS Bad Arolsen vom 12.01.2016; schriftliche Auskunft Archiv des LVR vom 20.01.2016; schriftliche Auskunft Benediktushof Reken vom 19.01.2016; Auskunft Bezirksregierung Düsseldorf vom 02.02.2017; Auskunft Stadtverwaltung Dinslaken.

Literatur:D. Czech, Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Reinbek 2008, S. 286.